King Kong geht es blendend!
von Ronald Gehrt
Guten Morgen, verehrte Leserinnen und Leser!
Als ich gestern morgen auf die Kursmonitore blickte, konnte ich mich eines glücklichen Lächelns nicht erwehren. King Kong (der Aktienmarkt) hängt immer noch an der Spitze des Empire State Building (sprich ist immer noch nahe an den Allzeithochs) und nach wie vor können die bösen Flugzeuge mit den Maschinengewehren (die Realität) ihm nichts anhaben. Er ist eine wirklich knochenharte Type, der King Kong. Und er brüllt ... das hört sich von meinem Büro aus fast an wie das Gebrüll eines Bullen.
Steigende Kurse? Reine Affensache
Jetzt, kurz vor Handelsende an Wall Street, hängt mein Lieblingsäffchen immer noch an seinem Wolkenkratzer. Obwohl ihm die Bösen an diesem Tag erneut sehr heftig zugesetzt haben. Respekt. Doch ich frage mich, ob es nicht wie im Film kommt ... oder bei jedem dickfelligen Wesen ... man muss nur oft und intensiv genug zuschlagen ... irgendwann fällt er um. Was gemeinhin völlig überraschend passiert. Ich meine, sofern Sie sich entsinnen sollten: Haben Sie nicht auch gedacht, dass dieser affige Riesenaffe überhaupt nicht mehr vom Hochhaus purzelt? Doch dann ...
Die Argumente, weshalb die Kurse auf einmal wieder so hoch stehen, kennen Sie aus den Ausgaben der vergangenen Tage. Und was ich davon halte ebenfalls. Dennoch tue ich Ihnen dies im Schnellverfahren im 2. Abschnitt noch einmal an, gepaart mit den aktuellen Charts und meinen Vermutungen zu den kommenden zwei, drei Tagen. Und ich werde damit fortfahren, bis dieser Affe endlich zu Boden geht. So ganz insgeheim vermute ich, dass das bedeutet, wir können schon sehr bald über andere Themen diskutieren. Aber wer steckt da schon drin, in einer Börse im Gorillakostüm?
In diesem ersten Abschnitt sehen wir uns mal an, welchen Nadelstichen King Kong gestern mal wieder widerstanden hat. Es war mal wieder eine ganze Menge Holz, und grün war es keinesfalls:
Peinliches vom Primus
Ich sehe noch den Finger vor mir, mit dem Josef Ackermann auf die anderen Banken zeigte. Tadelnd, man sei zu große Risiken eingegangen .. bei den anderen Banken. Da hat JEDER (außer mir, haha) sich gedacht: Hui, wenn der Ackermann so eine dicke Lippe riskiert, muss bei der deutschen Bank wirklich alles im Lot sein. Gestern morgen teilte eben dieser J.A. mit, dass man da ein paar Kleinigkeiten zu bilanzieren hätte, die nicht so wirklich optimal seien. Die Aktie fiel, klar.
Aber noch tiefer fiel das Vertrauen dahingehend, dass einem irgend jemand mal die Wahrheit sagen würde. Das Echo von Northern Rock klingt ja immer noch durch die Flure ... und Sachsen LB ... und IKB.
Kursziel Euro/Dollar 1,40? Hat sich schon erledigt
Das allseits erwartete Kursziel von 1,40 Euro/Dollar sollte nicht erreicht werden, weil zu viele damit rechneten. Diese Überlegung aus der Sentimentanalyse pflegt meist zu stimmen. Doch der Dollar ist sogar für einen Rebound zu schwach. In der Spitze wurde gestern nicht einfach die 1,40 überboten, sondern gleich die 1,41 erreicht.
Das ist übel für die europäischen Exportwerte ... der Dax ist voll davon. Die Reaktion der Exporttitel gestern war ... Sie können es sich denken ... nahezu Null. King Kong braucht keine Dollars.
Kursziel Rohöl 80 Dollar? Hat sich ebenfalls erledigt
Und wo wir gerade bei übel sind: US-Öl erreichte gestern abend 84 Dollar. Nicht 80, nein, 84! Unser Brent-Öl lag mit 79 Dollar auch nicht übel im Rennen. Solche Kurse sind inflationstreibend und eine Bedrohung für die Unternehmen. Aber King Kong brauchte gestern auch kein Öl.
Goldman glänzt, Bear Stearns erschreckt
Nach Morgan Stanley (schlecht) und Lehman Bros. (gut) kamen nun die letzten beiden großen US-Investmentbanken mit ihren Quartalszahlen. Goldman Sachs sorgte für eine Rallye des gesamten Aktienmarkts, weil die Zahlen um Längen besser ausfielen als erwartet. Bear Stearns’ Zahlen waren dafür meilenweit schlechter als erwartet ... was aber keinerlei Marktreaktion auslöste.
Es ging ja darum, dass die Akteure wissen wollten, wie tief die Scharten bei den Investmentbanken sind, welche die Kredit- und Hypothekenkrise geschlagen hat. Nun, Goldman hat sich clever gehedgt, Bear Stearns offenbar nicht. Zudem wurde gestern bekannt, dass Morgan Stanley und Lehman alle möglichen und erlaubten Bilanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft hatten, um so gut wie möglich auszusehen. Aber:
Egal, wie die Bilanzen nun aussahen ... selbst wenn alle Banken gute Zahlen geliefert hätten, wie kann das einen Anstieg der gesamten Aktienmärkte rechtfertigen? Deswegen ist doch die Problematik als solche nicht verschwunden oder geringer. Aber darüber hat King Kong wohl nicht nachgedacht ...
FedEx lässt aufhorchen
Und da war doch noch irgendwas mit Rezession ... hat man ja glatt vergessen, nach dieser schönen, allheilenden Zinssenkung am Dienstag. Nun, dass Hand auflegen nicht heilt, hat der Transportriese Federal Express zur Kenntnis genommen. Die gestern gemeldeten Quartalszahlen waren zwar im Rahmen der Erwartungen, das Unternehmen senkte aber den Ausblick für die kommenden 12 Monate deutlich.
Begründung: Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Die Gewinnerwartung wurde auf 1,60 bis 1,75 Dollar pro Aktie gesenkt (bisheriger Analystenkonsens 1,97). Das sollte aufhorchen lassen. Doch das war zeitlich unpassend, da zu diesem Zeitpunkt gerade alle über Goldman Sachs begeistert waren. Vielleicht heilt Ignoranz alle Probleme? Wer weiß ...
Hank und Ben vor dem Richter
Übrigens, von wegen Liquiditätskrise: Die US-Notenbank pumpte gestern die telefonmünzenkleine Summe von sieben Milliarden in 14 Tage-Repos in den Markt. Dabei dachten die Bullen doch zu wissen, es gäbe da gar keine Probleme mehr?
Und apropos Notenbank. Hank Paulson und Ben Bernanke saßen gestern vor dem Senatsausschuss zur regelmäßigen Befragung. Hui, da ging es zu. Der Vorsitzende des Ausschusses leitete mit den freundlichen Worten ein:
„Wir hatten so viele Jahre Spaß. Jetzt werden die Kredite noch billiger, da haben wir dann noch mehr Spaß, nicht wahr?“
Ei, ei. Es ging dann im Kasernenhofton weiter. Man hatte wirklich das Gefühl, Paulson und Bernanke säßen vor Gericht. Man war seitens der Senatoren nicht amüsiert ob der Lage. Noch-Finanzminister Paulson übte sich im Kampstottern und Bernanke hielt das Haupt gesenkt. Schön, die Senatoren erkennen, dass die Lage ernst ist. Aber es wäre doch „affig“, sich das zu Herzen zu nehmen. Allzeithochs sind viel, viel lustiger als Rezession, Kreditkrise, Immobilienmarkteinbruch oder Hypothekenkrise.
Die US-Konjunkturdaten mit ein wenig Licht ... und ein wenig Schatten
Um 16 Uhr kamen die US-Frühindikatoren für August. Nun, sie wissen, die Daten taugen nichts und schwanken stark. Aber es sei erwähnt: Die Frühindikatoren fielen mehr als erwartet um –0,6%, von den zehn Unterindikationen lagen neun im Minus.
Wichtiger war der Philadelphia Fed Index (Philly Fed), der die wirtschaftliche Aktivität in der Region Philadelphia misst. Für September lag der Indikator der aktuellen Lagebeurteilung bei 10,9 nach +/- 0 im August. Erwartet wurde nur ein Level zwischen 2 und 5. Hurra ... aber!
Sie wissen, dass diese Diffusions-Indizes eine brisant simple Berechnungsmethode haben, die sie ziemlich diffus machen (daher wohl der Name). Neue Leser mögen mir vergeben, ich habe es schon öfter erklärt, aber diesmal wird es sonst zu lang ... erneute Erklärung kommt in Bälde.
Der Schatten in diesem Licht des Philly Fed-Index lag in diesen Subindizes. Die Auftragseingänge stiegen von 15,1 nach 7,1. Gut. Aber die Inflationskomponente der bezahlten Preise stieg auch, und zwar von 14 auf 21. Und der Subindex für Beschäftigung fiel von 21 auf 7. Das ist schlecht. Und:
Die Erwartungskomponente für die kommenden sechs Monate, die komischerweise – obwohl interessanter – in den USA kaum beachtet wird, steig nicht! Sie blieb unverändert ... und das ist „Schatten“!
Zuwachs in der King Kong-Fangemeinde
Ganz offenbar gewinnt der Aktienmarkt im Affenkostüm stetig an Fans, während er an der Spitze des Wolkenkratzers (der Chartkurse) hängt. Denn die gestern auf Bloomberg veröffentlichten Sentimentdaten von cognitrend hauten mich von der Socke. Der von mir hoch geschätzte Joachim Goldberg kommentierte die Daten als „schon fast Titanic-haft“. Auch ein guter Vergleich.
Die Zahl der bullish gestimmten Marktteilnehmer ist in der vergangenen Woche von zuvor normalen 39’% auf nun 52% gestiegen. Neutral sind nun nur noch 22% nach 31% letzte Woche .. und bearish sind nur 26% (Vorwoche 30%). Hoppla.
52% bullish ist ein ziemlich hoher Wert – mehr als 55-58% werden so gut wie nie gemessen. Das letzte Mal hatten wir dieses Niveau am Hoch im Juli. Und es ist ein bearisher Hinweis, erst recht, wenn sich das noch eine Woche hält oder gar ausbaut.
Das heißt, die Stimmung ist ein Kontraindikator, nach der einfachen Überlegung: Wer bullish ist, hat bereits gekauft. Denn wer ist bullish, hat Cash und guckt nur zu? Eben. Also fallen die Bullen als potenzielle Käufer flach. Umgekehrt: Wen die Bären zu deutlich überwiegen, könnte eine Wende nach oben nah sein. Denn bearish ist man nicht mit vollem Portfolio, sondern wenn man schon ausgestiegen ist. Ein Bärenüberhang bedeutet also, dass die Zahl der potenziellen Verkäufer geringer wird. Und bei den Bullen ist es umgekehrt, d.h. das deutet an, dass wir nicht mehr viel Luft nach oben haben.
Aber sei’s drum ... so ein paar Kleinigkeiten wie hier vorgetragen können doch einen echten Affen nicht erschüttern. Und doch, und doch ... ich bin ja, was die Konstitution von Affen anbelangt, nicht mehr als Hobby-Veterinär, aber ich meine, dass King Kong nach außen viel besser wirkt, als es ihm wirklich geht. Lesen Sie mal weiter im 2. Abschnitt!
Quelle: Daily Observer.
